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Die Schwalbe Mehl

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Alcedo_
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Die Schwalbe Mehl

#1

Beitrag von Alcedo_ »

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Die Schwalbe Mehl


Im Urlaub gehe ich jeden Morgen zur gleichen Bäckerei. Sie hat nicht die besten Brezeln, aber gegenüber auf dem Spitzdach eines dreistöckigen Fachwerkhauses sammeln sich täglich gegen acht, alle Schwalben der Stadt. Auf einem breiten Streifen zwischen der obersten Gaube und der First sitzen sie da zumeist auf den steilen Ziegeln, lärmen und genießen die Morgensonne. Einige Wachposten sitzen immer ganz oben und einzelne segeln luftig umher und stürzen sich in die Häuserschluchten um von der anderen Seite flatternd wieder aufzutauchen.

Manchmal starten welche mit einem schrillen Ruf. Fast die ganze Schar hebt ab, kommt aber nach einer kurzen flachen Runde wieder: Fehlalarm. Das wiederholt sich in unregelmäßigen Abständen. Dazwischen sieht man ihre weißen Bäuche aufblinken wenn sie sich auf den Ziegeln umsetzen oder man sieht die hellen Bürzel abwechselnd vom Dach fallen und davonflitzen. Sie widmen sich ausführlich der Gefiederpflege und machen es offensichtlich wegen der Sonne. Die westliche Dachseite bleibt leer.

Zwei Dohlen kommen von der Stadtkirche gemächlich angeflogen. Eine zieht gelangweilt nordwärts, die andere macht einen kurzen Schlenker zu der Schwalbenschar: helle Aufruhr. Wieder fliegen alle auf, diesmal höher und energischer. Viele sind jetzt oberhalb der Dohle und mobben sie fort. Die biegt ab und folgt der anderen lustlos. Vorletzte Woche hatten sich die Dohlen noch halbminütige Verfolgungsjagden geleistet und flügge gewordene Jungschwalben in irren Wendungen über die Dächer und durch die Straßenschluchten gehetzt. Heute haben sie das Interesse verloren - die Jungen sind zu fit geworden. Jetzt ist die gesellige Schar wieder vereint. Versuche sie zu zählen. Fünfzig? eher Sechzig.

In der Warteschlange habe ich den Innenraum erreicht. Die attraktive Verkäuferin hat heute einen knalligen Lippenstift aufgetragen. Ich bin ungeduldig und bestelle schon von hinten. Während sie die Brötchen und Brezeln in der Tüte versenkt, fixiere ich die Stelle an ihrer Schürze, wo sie sich immer die mehligen Finger abwischt; habe Angst den Showdown zu verpassen.

Sie sind noch da. Täusche ich mich oder sind sie viel nervöser geworden als vorhin? Ich kann nichts besonderes am Himmel erkennen. Ahnen sie was kommt? Sie wirken nicht mehr gemütlich. Ihre Bewegungen wirken fahriger. Doch sie beruhigen sich. Fast werden sie dennoch still und weilen regloser. Das kann ja noch dauern. Ein Blick auf die Uhr: Soll ich noch bleiben?

Da fahre ich zusammen: der schrillste Ruf heute, mehrkehlig! Augenblicklich stieben alle davon: knapp übers Dach hinfort, nach rechts unten und nach links. Zwei fliegen verspätet auf und versuchen zur Straße hinunter zu entkommen - gleichzeitig sehe ich den Falken: er war von hinter mir direkt aus der Sonne in rasantem Flug über die Dächer herangestürmt - verfolgt sofort eine. Zwei Wendungen geht er gekonnt mit. Beim dritten schärferen Ausweichmanöver entkommt die Schwalbe. Die gelben Falkenfänge waren schon vorgereckt gewesen. Nur etwa eine Ziegellänge hatte gefehlt. Nun geht sie in den typischen langsameren, kraftlos wirkenden Flug der Turmfalken über und zieht auch gegen Norden ab, wie vorhin die Dohlen, Richtung Bahnhof. Das war heute eine große erfahrene Turmfalkin. Noch ein stück kann ich ihr rotbraunes Rückengefieder sehen und höre wie der schimpfende Schwalbenpulk sie verfolgt und sich erst allmählich beruhigt.

Das war das Signal zum Aufbruch gewesen. Allesamt steigen sie jetzt nach und nach höher und verteilen sich in alle Richtungen zu ihrer ewigen Sommerhimmel-Surfnummer ins Blaue.


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__________________________________________________________________

edit:
habe den vorletzten Abschnitt noch ein wenig gestrafft. einen fehlenden Artikel eingefügt bei den Dohlen.
Zuletzt geändert von Alcedo_ am 30 Sep 2023, 08:48, insgesamt 2-mal geändert.
PetraS
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Re: Die Schwalbe Mehl

#2

Beitrag von PetraS »

Hallo Alcedo,

was für eine schöne Beobachtung - aus der du mit deiner detailierten und emotionalen Beschreibung ein visuelles Highlight gezaubert hast. Du bist wirklich ein begnadeter Beobachter, Wortakrobat und -poet.

Es hat mir unglaublich viel Freude bereit, mit dir den Schwalbenpulk zu betrachten und ihre "Abenteuer" zu begleiten.

Hm, in dem Kontext könnte man glatt auch von "Bäckerschwalben" sprechen :) .

Vielen Dank.

Liebe Grüße
Petra
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ilja
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Re: Die Schwalbe Mehl

#3

Beitrag von ilja »

Hallo Alcedo,

sehr schöne Schilderung einer spannenden Beobachtung. Hat Spaß gemacht zu lesen. Ein reiner Wort-Beitrag ist mal eine nette Abwechslung zu den meist (zweckorientiert sinnvollerweise) eher bildlastigen Beiträgen. Und der Umfang blieb dennoch übersichtlich. (Die Anzahl der Leser dürfte mit der Textlänge recht schnell abnehmen).
Gerne wieder. Vielleicht inspiriert es ja auch andere, komplexere Beobachtungen zu schildern, die nicht als Video vorliegen ;-)

Schöne Grüße. Ilja.
marionvier
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Re: Die Schwalbe Mehl

#4

Beitrag von marionvier »

Wunderschön! Alcedo ist ein Meister der Sprache. Kein Foto könnte diese Situations-Poesie ersetzen.

Schöne Grüße
Marion
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Alcedo_
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Re: Die Schwalbe Mehl

#5

Beitrag von Alcedo_ »

hallo Petra

Vielen Dank für dein Lob und fürs aufmerksame Lesen. insbesondere für das visuelle Highlight und das bescheinigte akrobatische. Du bist die aufmerksamste Leserin und Betrachterin hier. jeder noch so kleine und machen unspektakulär erscheinende Beitrag, von allen Usern hier, wird von Dir gewürdigt. das ist mehr als lobenswert. 🙂

„Bäckerschwalben“ ist wirklich gut! wenn es nicht einen Touch von Bordsteinschwalben hätte, würde ich es glatt als Überschrift nehmen. so bleibe ich bei meiner Wortumstellung als Eye-Catcher in der Hoffnung, dass mir die niemand übel nimmt.

mit mehr als Dank
Alcedo

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lieber Ilja

wenn ich die Kopf-Strichelung von diesem smarten Grauschnäpper sehe, der bei jedem deiner Beiträge erscheint, dann weiß ich sofort - jetzt kommt was Gutes, was Schönes.

es freut mich sehr, dass dir der Text Spaß bereitet hatte. und Dein „Gerne wieder“ motiviert gewaltig.

ich danke dir
Alcedo

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Mensch, Marion

mit dem ersten Satz hattest du mich in Verlegenheit gebracht. mit dem zweiten mich glatt geflasht. das musste ich erst mal sacken lassen.

das Topic hier will eigentlich eine Short-Story sein, eine Kurz-Kurzgeschichte oder Flashfiction wie es neuerdings heißt. habe etwa zwei Monate dran gefeilt, gekürzt und optimiert und trotzdem Zweifel gehabt. jetzt sind es knapp über 500 Worte geworden. dass es so gut funktioniert, lässt mich dranbleiben: es juckt mich wieder in der Feder.

herzlichen Dank
Alcedo


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@ alle Leser

bitte gebt mir Feedback auch wenn ihr den Text abgebrochen habt beim Lesen. dann würde ich gerne wissen, wo genau.

auch für kritische Anmerkungen wäre ich dankbar. wenn auch nur ein Wort gestört hat, oder ein Vergleich lasst es mich bitte wissen. gerade auch bei den ornithologischen Aspekten. Beschreibung der Flugweise, der Laute usw.
gerne auch per PN oder Mail.

Grüße
Alcedo
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