Verhalten eines Raben

[Alcedo_]

https://www.youtube.com/watch?v=wokBZkDdY2g

wie interpretiert ihr das Verhalten dieses Raben, der einem Fischadler-Horst einen Besuch abstattet?

[Anderl]

Guten Morgen. Erst einmal ist der Kolkrabe neugierig und findet den Standort scheinbar auch gut. Vom Fischadler hat er nichts zu befürchten, aber vielleicht ist er beunruhigt, dass andere Greifvögel hier nisten könnten, die ihn mehr stören. (evtl. Wanderfalken)
Die herausgezogenen Stöcke könnte er als Nistmaterial selbst verwenden (wenn er nicht schon selbst seinen Horst hat), oder er prüft vielleicht, wie stabil der Horst insgesamt noch ist.

[martinmiethke]

Hallo miteinander,

Kolkraben brüten sehr früh im Jahr (in LV sicherlich auch nicht viel später als hier). Die Aufnahme ist von Anfang April, zu dieser Zeit müssten die Paare längst brüten; auf jeden Fall sind die Nester dann fertig. Solche dicken Zweige, wie sie der Rabe in der Aufnahme aufnimmt, werden höchstens als Nestbasis verbaut.
Und dass der Rabe dieses Nest als potentiellen Nistplatz ansieht, halte ich eher für unwahrscheinlich – in einem Kiefernwald müsste er genügend Alternativen haben, wo das Nest besser versteckt wäre.

Ich interpretiere das Verhalten eher als „Spielen“ …

Herzliche Grüße – Martin

[Alcedo_]

Danke für eure Einschätzungen.

ja, das ist richtig, Anderl: vom Fischadler hat er sicher keine Angst. der ist ja kaum größer als ein Bussard und bei weitem nicht so gewandt wie ein Rabe. in einem Habichts- oder in einem Steinadlerhorst würde er es aber wahrscheinlich nicht wagen so aufzutreten, nehme ich an.

deine Vermutungen treffen zu, Martin. es ist wohl kein geeigneter Nistplatz für ihn selbst, aber das Nest befindet sich wahrscheinlich in seinem Revier.
und ja, Raben fangen schon im Januar mit dem Nestbau an. er spielt aber nicht, denke ich.

es ist Imponiergehabe.
die aufgerichteten "Federohren" signalisieren in der Körpersprache der Raben maximale Aggression und Wut. auch die gurgelnden Laute bei aufgeplustertem Halsgefieder, samt zustoßender Nickbewegung drücken das aus. und er zerstört symbolisch das fremde Adlernest. einmal trägt er ein besonders großes Stück Holz hinauf auf die Kamera/den Kameramast um es wohl von dort oben - für alle sichtbar - fallen zu lasen. die Frage für mich ist, wem er imponieren möchte? den Adlern, die im Hintergrund zu hören sind? seiner Partnerin, die sich womöglich in der Nähe befindet? anderen Raben? sich selbst? all dem zusammen?
er scheint am Ende der Video-Sequenz lange direkt in die Kamera zu schauen, aus allen Winkeln. ob er sich in der Spiegelung des Glases selbst erkennt?
bei dieser Betrachtung und danach scheint die Aggression abzuebben.

Grüße
Alcedo

[martinmiethke]

es ist Imponiergehabe.
die aufgerichteten "Federohren" signalisieren in der Körpersprache der Raben maximale Aggression und Wut.

Hallo Matze,

wo hast du diese Information her? Auch laut meiner Literatur (Monografie von Dieter Glandt, er bezieht sich auf Glutz v. Blotzheim) ist es Imponiergehabe – was aber nach meinem Verständnis etwas anderes ist als Aggression! Diese „Federohren“ kommen nach Glandt bei der Balz zum Einsatz. Es würde mich wundern, wenn Raben bei der Balz einen Ausdruck „maximaler Aggression und Wut“ zeigen würden …

die Frage für mich ist, wem er imponieren möchte? den Adlern, die im Hintergrund zu hören sind?

Nanu, wo hörst du denn da Adler?

seiner Partnerin, die sich womöglich in der Nähe befindet? anderen Raben? sich selbst? all dem zusammen?

Die ständige „Konversation“ deutet tatsächlich darauf hin, dass ein(e) Partner(in) in der Nähe ist.

Auf jeden Fall ein sehr interessantes Video

Herzliche Grüße – Martin

[Alcedo_]

hallo Martin

den Ausdruck „Federohren“ habe ich irgendwo aus der Fachliteratur entnommen. wo genau weiß ich nicht mehr. habe ethologisch was von Lorenz, Heinrich, Drack gelesen und sicher auch noch von anderen, deren Name mir entfallen ist. den Rest habe ich aus eigenen Beobachtungen. bei der Balz wird fast das gesamte Repertoire an Verhaltensmustern ritualisiert durchgespielt. wahrscheinlich auch diese Federohren.
hab mal nachgeschaut: Lorenz beschreibt die Federohren schon ca. 1940 als „Kriegserklärung“ und als eindeutiges Zeichen für Angriffslust.

Adler? naja, ab Minute 1:25 sind wiederholte langgezogene Rufe im Hintergrund zu hören, die ich als „Adlerstimmen“ gehalten habe. bin aber auditiv ein ziemlicher Banause und kenne außerdem Adler kaum.

Danke fürs erneute Feedback und fürs Nachhaken.

Gruß
Alcedo

[martinmiethke]

hab mal nachgeschaut: Lorenz beschreibt die Federohren schon ca. 1940 als „Kriegserklärung“ und als eindeutiges Zeichen für Angriffslust.

Nun, was heißt schon „eindeutig“? Letztlich sind es immer Interpretationen, und m.E. war man 1940 noch viel eher als heute bereit, alle möglichen Verhaltensweisen von Tieren als Ausdruck von Aggression zu interpretieren. Wie gesagt, in späteren Veröffentlichungen (Glutz v. Blotzheim, Gwinner, Glandt) ist nur noch von Imponieren die Rede.

Adler? naja, ab Minute 1:25 sind wiederholte langgezogene Rufe im Hintergrund zu hören, die ich als „Adlerstimmen“ gehalten habe.

Ach das meinst du. Das sind Kraniche

Herzliche Grüße – Martin